Rezensionen

Aus dem Jahrbuch Kreis Trier-Saarburg 2017

HERMANN BONERT und TOBIAS BLASUM
Gefallene Festungen

Osburg 2016, 560 Seiten, zahlreiche Abbildungen.

Ganz gegen unsere Gewohnheit kündigen wir diesen Band, der noch nicht vorliegt, aber noch vor Weihnachten 2016 veröffentlicht werden soll, an. Seit 2009 wurde an diesem Buch gearbeitet, Zeitzeugenberichte, Bilder und die archivische Überlieferung gesammelt. Es handelt von den letzten Tagen vor dem Kriegsende im vorderen Osburger Hochwald und im unteren Ruwertal im März 1945 und vermittelt uns einen genauen Eindruck, was dort damals geschehen ist. Die Unmittelbarkeit der vielen Zeitzeugenaussagen und der Armeeberichte trägt das ihre dazu bei. Besonders hervorzuheben ist, dass die Autoren nicht nur das Kriegsgeschehen behandeln, sondern auch die Gemeinden und die handelnden Personen, die Opfer, die Vorgeschichte und Folgen vorstellen und das örtliche Geschehen in den Gesamtzusammenhang einordnen. Die Sorgfalt und Umsicht, mit der sie dabei vorgegangen sind, hat auch dazu geführt, dass manches Schicksal im Nachhinein noch geklärt werden konnte. Dieses einzigartige Buch ist ein wirklich wertvoller Beitrag zur jüngeren Geschichte unserer Region.

BARBARA WEITER-MATYSIAK

 

Aus dem Kurtrierischen Jahrbuch 2019

Tobias Blasum und Hermann Bonert, Gefallene Festungen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Osburger Hochwald und im Ruwertal. Osburg: Kieselkaul-Verlag 2019, XXII und 539 Seiten, 397 s/w-Abb., ISBN 978-3-00-054815-4, EUR 29,90.

Der in Berlin lebende und dort bei einer Bahntochter als kaufmännischer Leiter beschäftigte Tobias Blasum, mit familiären Wurzeln im Hochwalddorf Osburg, wenige Kilometer südöstlich von Trier gelegen, und der in Ruhestand getretene Leiter der Sparkassengeschäftsstelle in Waldrach, der gebürtige Osburger Hermann Bonert, haben sich vor Jahren zusammengetan, um das hier angezeigte Buch gemeinsam zu erstellen. Zunächst hatte jeder für sich in Osburg und den Nachbardörfern recherchiert, Zeugen befragt und Material zur Familien- und Ortsgeschichte gesammelt. Ab dem Jahre 2009 arbeiteten die beiden Autoren zusammen und richteten ihr Augenmerk auf die Erforschung und Darstellung der lokalen Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges im unteren Ruwertal und vorderen Hochwald. Zwar hatte der verdienstvolle Edgar Christoffel bereits 1985 eine Broschüre über den „Endkampf zwischen Mosel, Saar und Ruwer“ herausgegeben und den „Vorstoß der Amerikaner über die Ruwer nach Osten und Südosten zum Vormarsch auf den Rhein“ beschrieben, und auch die schweren Kämpfe um Waldrach und die Beschießung und kompromisslose Zerstörung von Thomm erwähnt, den Ort Osburg dabei aber mehr oder weniger außen vor gelassen, genau wie in seinem vier Jahre später erschienenen umfangreichen Hauptwerk „Krieg am Westwall.“

Diese Lücke geschlossen zu haben ist das besondere Verdienst der beiden Autoren. Jahrelang wurden zahlreiche Zeitzeugen befragt, Schul-, Pfarr- und Ortschroniken durchgearbeitet, Chroniken deutscher und amerikanischer Militäreinheiten und unveröffentlichtes, bisher allgemein nicht zugängliches Material studiert, private Aufzeichnungen ausfindig gemacht, die einschlägige Literatur nach lokalen Betreffen abgeklopft und in deutschen und amerikanischen Archiven, hier vor allem im „National Archives and Records Administration“ in Washington recherchiert.

Das Buch gliedert sich in insgesamt 13 Hauptkapitel und einen ausführlichen Anhang mit einer Aufstellung der 194 Zeitzeugen und einem Personenverzeichnis sowie Tabellen der im März 1945 in der Region operierenden amerikanischen Artilleriestellungen und Einheiten. Im ersten Kapitel „Hintergrundinformationen“ (S. 1–28) schildern die Autoren die Entstehungsgeschichte des Buches, fügen einen lesenswerten Exkurs über die Besonderheiten von Zeitzeugenaussagen und deren Wert als historische Quelle ein und entlarven den Mythos „Festung“ als eine der „Durchhalteparolen der NS-Propaganda“ – denn weder der Umfang noch der Zustand der mindestens 40 Befestigungsanlagen rund um Osburg noch die waffenmäßige Ausrüstung und militärische Besetzung „rechtfertigten die Bezeichnung Festung für die kleinen, militärisch unbedeutenden Dörfer“ des Untersuchungsgebietes.

Das zweite Kapitel widmet sich dem „Nationalsozialismus in der Region“ (S. 29–54). Hier untersuchen die Autoren die örtlichen Strukturen der NSDAP und den Durchdringungsgrad des Nationalsozialismus in den Ortschaften des unteren Ruwertales und des vorderen Hochwaldes. In dem Unterabschnitt „Täter, Mitläufer und Opfer“ gehen die Autoren auf die „Schuldfrage“ und deren kritische Aufarbeitung ein. „Eine detaillierte Betrachtung dieses Themenkomplexes“ kündigen die Autoren zu einem späteren Zeitpunkt an. Dazu möchte man die Autoren ausdrücklich ermuntern, um mehr zu erfahren über die – wenn auch meist unspektakuläre – Verstrickung in das System der Hitler-Diktatur etwa der im Buch oftmals genannten Osburger Persönlichkeiten wie Forstamtsleiter Eduard van Volxem und sein Staatsförster und „Stützpunktleiter“ Ernst Nadermann, Lehrer Michael Scherer – mal als „Thommer Zugführer“ (S. 101) oder als „Rektor aus Konz“ (S. 262) bezeichnet – oder auch Hans Rausch, nach dem Krieg langjähriger Ortsbürgermeister und honoriges Kreistagsmitglied. Von Gestapo-Chef Klaus Barbie, wegen seiner Grausamkeit als „Schlächter von Lyon“ in der kollektiven Erinnerung der Deutschen und vor allem der Franzosen präsent, und seiner familiären Beziehung zu Osburg wird kurz berichtet (S. 363).

Die folgenden drei Kapitel behandeln die Themenkomplexe „Die militärische Ausgangslage“ (S. 55–65), „Die amerikanischen Streitkräfte“ (S. 67–87), „Der Volkssturm im Gau Moselland“ (S. 88–116). Im sechsten Kapitel „Vormarsch der Amerikaner an die Ruwer“ (S. 117–143) und den folgenden vier Kapiteln schildern die Autoren eindrucksvoll die Kämpfe im Ruwertal und auf dem Hochwald allgemein, und im Besonderen die Besetzung von Kasel, die Kämpfe um Waldrach, die Zerstörung von Thomm und die Einnahme von Osburg. In diesen Kapiteln macht sich die akribische Recherche in den ausländischen Archiven gegenüber den Darstellungen in Edgar Christoffels vorerwähnten Kriegsbüchern gewinnbringend bemerkbar, aber auch die Benutzung neuerer Literatur wie etwa die im Jahre 2012 erschienenen Kriegserinnerungen des US-Kriegsveterans Andrew Frankenfield.

Die ständigen Artillerie- und Luftangriffe mit zahlreichen zivilen Opfern, das Leben zwischen den Angriffen und das Ausharren in Kellern und Bunkern während des Beschusses und der Bombenabwürfe und dann der erwartete Einmarsch der Amerikaner, verbunden mit der Säuberung des Dorfes, mit Bunker- und Hausdurchsuchungen, dem Nachforschen nach NSDAP-Funktionären werden detailliert mit genauer Quellenangabe dargestellt, angereichert mit der lebhaften Schilderung des eigenen Erlebens der vielen Zeitzeugen. Hervorheben möchte man das Gedenken an die zahlreichen zivilen Opfer während der Luftangriffe und im Zusammenhang mit dem Einmarsch der Amerikaner.

Im letzten und dreizehnten Kapitel ziehen die Autoren ein Fazit, gehen nochmals auf den Begriff „Festung“ bzw. „Gefallene Festung“ ein und zitieren aus einer amerikanischen Militärchronik: „Der Auftrag war, die befestigte feindliche Stellung in Osburg zu besetzen und zu halten.“

Nach dem 1948 erschienenen Standardwerk von Laurence Byrnes über die „History of the 94th Infantry Division in World War II“ planten die Amerikaner nach der Einnahme von Trier, aus verschiedenen Richtungen gegen Hermeskeil vorzustoßen und das als „Nazi-Hochburg“ bekannte „Gaumusterdorf“ als „unmittelbares Ziel einzunehmen“ (Byrnes, S. 401): „Hermeskeil was the immediate objective“. Es musste daher zunächst Osburg besetzt werden, ehe das 12 km entfernte Hermeskeil eingenommen werden konnte. Zwischen Osburg und Hermeskeil liegt der langgestreckte Höhenrücken des Osburger Hochwaldes. Auf der Gemarkung Osburg befanden sich 30 verschiedene Verteidigungsanlagen, eine noch größere Bunkerdichte dagegen rund um Hermeskeil und den vorgelagerten Gemarkungen von Reinsfeld und Höfchen, die im weiteren Kriegsverlauf keine wesentliche Rolle spielte.

Dem neunköpfigen (!) „Korrektorat“ ist – soweit der Rezensent das überschauen kann – eine druckfehlerfreie Ausgabe gelungen. Einen bescheidenen Hinweis möchte er aber dennoch anbringen. Die im Volksmund als Gald- und in den aktuellen Karten als Goldberg bezeichnete und im Buch mehrmals als solche erwähnte rund 420 m hohe Bergkuppe wird im Waldracher Hochgerichtsweistum 1575 urkundlich „uffm Galgberg“ bezeichnet und ist in der sogenannten Naudin-Karte 1736 mit einem Galgensymbol gekennzeichnet.

Kreisarchivarin Barbara Weiter-Matysiak schreibt im Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 2017 (S. 170): „Dieses einzigartige Buch ist ein wirklich wertvoller Beitrag zur jüngeren Geschichte unserer Region“. Dem kann man sich uneingeschränkt anschließen.

DITTMAR LAUER